Der Martinsclub hat seine Hilfsaktion an der ukrainischen Grenze für Geflüchtete mit Behinderung beendet – Derzeit keine professionell aufgestellte Hilfsaktion mehr vor Ort.
Alles begann als kleine spontane Hilfsaktion. Am 8. März machten sich 6 Mitarbeiter*innen des Martinsclub in 3 Kleinbussen auf den Weg zur polnisch-ukrainischen Grenze. Das Ziel: Menschen mit Behinderung und deren Familien, die aus dem ukrainischen Kriegsgebiet geflohen sind, sollten nach Bremen gebracht werden. Dazu wurden vorab Kontakte zu polnischen Hilfsorganisationen geknüpft, die die Menschen aus der Ukraine evakuiert hatten. Wenig später trafen 14 Geflüchtete in der Hansestadt ein. Für sie wurden vorher extra Wohnungen hergerichtet. Nun werden sie vom Martinsclub betreut und unterstützt. Doch bei der kleinen Aktion ist es nicht geblieben.
Aufruf an Behindertenhilfeträger in ganz Deutschland
„Es war von Anfang an klar, dass wir unsere Hilfe nur ganz wenigen Menschen anbieten können. Daher haben wir einen Aufruf an alle in der Behindertenhilfe tätigen Organisationen in ganz Deutschland gerichtet. Wir haben sie gebeten, ebenfalls Transporte zu organisieren und – möglichst barrierefreie – Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen“, erklärt Martinsclub-Vorstand Thomas Bretschneider. In der Folge gingen beim Martinsclub zahlreiche Hilfsangebote aus ganz Deutschland ein. Vor Ort im polnischen Lublin unweit der Grenze zur Ukraine verblieben mehrere Mitarbeiter*innen vom Martinsclub. Sie haben die Hilfsorganisationen mit den geflüchteten Ukrainer*innen in Kontakt gebracht. Bretschneider: „Nach wenigen Tagen hatten wir als Martinsclub quasi die Führungsrolle in der Fluchthilfe für Menschen mit Behinderung inne. Unsere Leute haben eine Art Netzwerk mit polnischen Hilfeträgern aufgebaut und die Weiterreise nach Deutschland federführend koordiniert.“ So konnten insgesamt mehr als 70 Menschen an 8 deutsche Hilfsorganisationen vermittelt und in Sicherheit gebracht werden.
Engagement des Martinsclub endet – leider ohne professionelle Nachfolge
Eine große Erfolgsgeschichte inmitten des dramatischen Kriegsgeschehens also? Leider nein. Denn nun sind die Mitarbeitenden des Martinsclub nach 10 Tagen ununterbrochener Hilfeleistungen nach Bremen zurückgekehrt. „Das ganze Unterfangen ist vom ersten Tag an viel größer geworden als geplant. Unsere Kapazitäten für die Hilfe vor Ort sind erschöpft. Unsere Hoffnung war, dass sich ein oder mehrere Träger der Behindertenhilfe finden, die die Koordination für professionelle Hilfe vor Ort übernehmen. Trotz intensiver Suche und zahlloser Telefonate mit allen möglichen Organisationen aus der Behindertenhilfe ist dies nicht gelungen“, so Bretschneider. Derzeit existiert an der polnisch-ukrainischen Grenze also keine koordinierte Fluchthilfe mehr, die sich explizit an Menschen mit Behinderung richtet und deren Weiterreise nach Deutschland organisiert. „Das macht uns sehr traurig, denn in dieser Sache geht es darum, Leben zu retten. Die Lage in der Ukraine und an den Grenzen ist ohnehin schon katastrophal. Doch für Menschen mit Behinderung ist es noch dramatischer und schwieriger, sich in Sicherheit zu bringen“, sagt Bretschneider.
Herzblut und Anstrengung haben sich gelohnt
Zwar endet die Aktion nun mit dem unbefriedigenden Gefühl, eine Lücke zu hinterlassen. Dennoch, betont Thomas Bretschneider, hat sich das Engagement vollends gelohnt: „Die Anstrengungen der letzten Tage waren es absolut wert. Denn wir konnten zumindest einigen Menschen in ihrer furchtbaren Situation helfen. Unsere Mitarbeitenden vor Ort sowie auch hier in Bremen waren mit viel Herzblut bei der Sache. Sie haben ihre Arbeitszeit tagelang nur dieser einen Sache gewidmet und teils auch ihre Freizeit geopfert, um Menschenleben zu retten. Insgesamt waren daran etwa 60 Kolleg*innen aus dem Martinsclub beteiligt. Sie haben Großartiges geleistet. Ich danke allen, die diese Aktion unterstützt haben.“
Nun bleibt die Hoffnung, dass sich andere Helfer*innen an der Grenze finden – und dass der Krieg in der Ukraine bald endet.